Während die altehrwürdigen Feuilletons diesseits und jenseits des Atlantiks Street-Art jüngerer Schule gerade in ihren kunsthistorisch approbierten Kanon berichtenswerter Themen einreihen, sind die Künstler selbst weiter der Verfolgung durch die Behörden ausgesetzt.
Es ist nicht Koketterie alleine, wenn Street-Artists wie Banksy und Roa nur durch ihre Werke erkannt werden wollen. Auch die Prominenz der Szene ist nicht vor Festnahmen gefeit. In der Öffentlichkeit wird nicht groß darüber gesprochen, in den einschlägigen Foren im Internet kann man sich jedoch rasch ein Bild machen. Roa sagt im Interview mit ORF.at: „Bei Street-Art weißt Du nie, was Dich erwartet. Das ist anders als im Atelier. Ich habe versucht, nicht zu viele Probleme zu haben. Trotzdem habe ich viele Polizeiautos gesehen, und ich war auf Polizeistationen.“
Unkontrollierbar wie ein Pilz
Die Strafen für Graffiti seien absurd. Es sage viel über unsere Gesellschaft aus, dass Graffiti-Writer oft härter bestraft würden als jemand, der Kinder missbraucht, so Roa. Street-Art sei sichtbar – das sei das Problem. Was hinter vier Wänden im Verborgenen geschehe, interessiere niemanden, solange die äußere Hülle in Ordnung sei. Roa erinnert an den „Fall Fritzl“ und sagt, es reiche, jeden Tag freundlich „Grüß Gott“ zu sagen, um die Nachbarn nicht weiter zu interessieren. So viel Österreichisch hat Roa bei seinem kurzen Aufenthalt schon gelernt.
Er hat sich im Lauf der Jahre eine Theorie zugelegt, warum das Bemalen von Wänden immer noch verfolgt wird. Das Problem sei, dass sich Street-Art dem Verständnis vieler Menschen entziehe, weil sie den Grundprinzipien der Gesellschaft zuwiderlaufe. Die Künstler bekämen dafür kein Geld – im Gegenteil, die Farbe koste sogar noch etwas. Man wisse nicht, wer sie seien. Graffiti würden Angst machen, weil sie sich nicht kontrollieren lassen wie ein Pilz.
Das Recht, kreativ zu sein
Genau das wiederum fasziniert die Künstler. Roa sagt: „Man hat eine Leiter und hundert Euro für Farbe – und kann viel damit machen. Street-Art ist die aufregendste Kunstform, weil es nicht darum geht, einen Zweck zu verfolgen – im Gegensatz zur Kunst davor.“ Historisch gesehen sei lange Zeit nur religiöse Kunst möglich gewesen, weil nur die Kirche für Kunst gezahlt hätte. Dann stellte sie sich in den Dienst der Noblesse, weil diese für Porträts bezahlte. Emporkömmlinge und Neureiche hätten später gerne Landschaftsbilder gekauft. Dann allerdings sei die Fotografie aufgekommen, und man habe nichts mehr malen müssen, das eine Kopie der Realität gewesen sei. Die Kunst wurde abstrakter, war aber weiter dafür gedacht, verkauft zu werden.
Roa blickt auf seinen Riesenfuchs im heruntergekommen, wildromantischen Innenhof im siebten Wiener Gemeindebezirk: „Aber das hier kannst Du nicht verkaufen. Es kostet Dich Geld – und Du musst mitten in der Nacht raus. Leute, die Züge anmalen, sind teilweise besser organisiert als Terroristen.“ Und dennoch ginge es einfach nur darum, Kunst zu machen. Das mache den Menschen Angst: „Dass Du etwas nur deshalb tust, weil Du es tun willst. Nicht weil Du berühmt werden willst oder auf eine Karriere und Geld aus bist.“ Darum geht es Roa bei der Street-Art: Sich ganz einfach das Recht zu nehmen, kreativ zu sein.
Simon Hadler, ORF.at
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