… auf den Spuren der Street Art. Auch wenn man hin und wieder anstelle eines Kunstwerks plötzlich eine Baustelle oder statt des erwarteten Lieblingsstücks überraschenderweise ein völlig anderes vorfindet.
Etwas, das einem mit dem Erwerb eines Gemäldes fürs Wohnzimmer nicht so schnell passieren kann. Wenn man da nicht mehr weiß, wo sich sein Bild befindet, oder gar plötzlich ein anderes an der Wand hängt, ist das eher bedenklich. Aber auch Street Art findet immer mehr Eingang in Wohnräume. Immer öfter gibt es die Kunst von der Straße auch in kleineren Formaten (bis hin zum A4-Print) in Galerien zu erstehen. Ist diese Entwicklung ein Weg in die falsche Richtung? Ist sie eine logische und zu begrüßende Konsequenz? – Hier scheiden sich die Geister: sicher ist jedoch, es ist derzeit höchst spannend in der Street & Urban Art Szene hierzulande. Und zwar in erster Linie deshalb, weil engagierte Galerien und Verkaufsausstellungen mit Festivalcharakter endlich auch in Wien verstärkt als Schnittstellen zwischen Out- und Indoor-Projekten mit internationalen KünstlerInnen fungieren. Eine Herangehensweise, die bei einer Kunstströmung, die als Form des Protests und des sozialen Engagements auf der Straße entstanden ist, sozusagen auf der Hand liegt. Und so geht es auch heute trotz Einzug in die Galerie nicht ganz ohne Straße, soll es auch gar nicht. Als Folge arbeiten viele KünstlerInnen zweigleisig und realisieren Projekte sowohl für den Außenbereich als auch für den Ausstellungsraum.
Inoperable: innen wie außen engagiert
Ein gutes Beispiel für eine derart gelungene Mischung liefert der belgische Künstler Roa, der Wien in der Vergangenheit immer wieder mit Arbeiten aus der Welt der Fauna schmückte. Viele, wie sein zumindest für WienerInnen legendärer Fuchs, der vorübergehend die Hauswand des temporären Kunstquartiers „The Fox House“ zierte, sind mittlerweile allerdings wieder aus dem Stadtraum verschwunden. Andere hingegen erst kürzlich entstanden: Und so finden sich seit Ende Juni Biber, Fuchs, Hase und Gams auf einer großflächigen Wand des Gymnasiums in der Amerlingstraße wieder. Ins Leben gerufen wurde das permanente Projekt von der Galerie Inoperable (seit mehreren Jahren DIE Anlaufstelle in Bezug auf Street Art) mit Unterstützung der KÖR (Kunst im Öffentlichen Raum).
Nur noch bis Ende August ist hingegen die Ausstellung „Pan-Roa’s Box“ in den Räumlichkeiten von Inoperable zu sehen. Für den kleinen Ausstellungsraum kreierte der vielgereiste Künstler eine Reihe von Installationen. Diese aus Spiegeln, Truhen und/oder Tierskeletten – allesamt auf lokalen Märkten entstanden – zusammengebastelten und bemalten Objekte verbindet vor allem ihr interaktiver Charakter. An Wände gehängt oder in Ecken gestellt, liefern sie nicht nur eine heimelige Ergänzung zum weltweit auf Hausfassaden und in U-Bahn-Anlagen verstreuten Oeuvre des Künstlers, sondern sind zudem auch noch funktional. Einziger Haken: die Stücke gehen bereits für 2.000 bis 8.000 Euro über den Ladentisch.
Billiger kommt man mit einem Print von Vinz Feel Frees Vogelmenschen oder den roten Skeletten von Bezt (Etam Cru) davon. Derlei Arbeiten sind um rund 70 Euro zu haben. Wem das immer noch zu teuer ist, der kann ab September seine Zelte in der Quellenstraße aufschlagen, wo der polnische Street Artist Bezt eine Wand gestalten wird. Ein weiteres Außenprojekt mit der Galerie Inoperable, die zuletzt (Ende Juli) gemeinsam mit dem französisch-österreichischen Künstlerpaar Jana & Js eine Bemalung Gumpendorfer Straße/Hornbostelgasse organisierte.
Es lässt sich also ohne Übertreibung feststellen: Es tut sich so viel wie noch nie in puncto Street Art in der Stadt. Auch wenn Künstler wie Space Invader zur Zeit nicht sonderlich gut auf Wien zu sprechen sind, da es in der Vergangenheit immer wieder zu Demontagen seiner über das ganze Stadtgebiet verteilten Mosaike von angeblichen Fans kam, wie Inoperable-Galerist 401RUSH (aka Nicholas Platzer) zu berichten weiß. Andere hingegen haben das Potenzial von Street Art immer noch nicht erkannt. So herrsche, laut Platzer, bei einigen Galerien noch immer die Meinung vor, Street Art sei etwas, das nichts in einem Ausstellungsraum zu suchen hätte.
Neue Impulse setzen
Eine Ansicht, die man in der renommierten Galerie Hilger nicht teilt. Seit einiger Zeit verfügt man neben den Stammräumlichkeiten in der Wiener Innenstadt zusätzlich über eine großflächige Präsentationsmöglichkeit in der Anker Brotfabrik. Hier sind noch bis Mitte September (Vorsicht Sommerpause bis 15. August) Arbeiten von rund 40 internationalen und österreichischen KünstlerInnen zu bestaunen. Die Palette reicht dabei von international bekannten Namen wie dem Gründer des Obey Labels und mittlerweile zum Millionär avancierten Shepard Fairey über das Künstlerduo Faile bis hin zum österreichischen Kollektiv „Perfect World“. Letztere liefern mit „Dino in Apocalypse“ einen ebenso humorvollen wie großflächigen Beitrag. „Wir wollen hier in zunehmendem Maße diese Kunstrichtung in unser Galerienprogramm aufnehmen“, klärt Ernst Hilger wieninternational.at über seine Zukunftspläne auf. Wenn das mit einem ähnlichen Rahmenprogramm wie bei der aktuellen Schau vonstatten geht – eine runde Sache.
Schon länger der Street Art verschrieben haben sich die Initiatoren der „Escape The Golden Cage Art Affair“. Nachdem der Gewölbekeller des Palais Kinsky im Juni zwei Wochen lang die Werke internationaler KünstlerInnen der Urban Art Szene beherbergte (siehe: www.wieninternational.at/de/aktuell/von-der-strasse-in-den-keller-de), gibt es nun bis Ende August eine kleine Neuauflage. Im Showroom in der Linken Wienzeile werden Get-together in kleiner Runde organisiert. Ziel ist es, in angenehmer Atmosphäre Kunst als Teil des Alltags zu vermitteln. Ein Rezept, das auch bei der seit 2010 jährlich stattfindenden Verkaufsausstellung zum Einsatz kommt. Als diese auf Initiative von Kuratorin Sara Musser das erste Mal stattfand, war Street und Urban Art in offiziellen Kunstkreisen als Thema in Wien kaum präsent. Laut Managing Director Raphael A. Weinberger handle es sich jedoch um das einzig wirklich bedeutende zeitgemäße Kunstgenre. Schön, dass es nun endlich auch in Wien mit seinen zahlreichen Ausformungen so richtig angekommen ist.
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