Für die einen sind sie Kunst, für die anderen Vandalismus: die bunten Graffiti, die Häuserfassaden, Mauern, Brücken oder Unterführungen zieren – oft einfache „Tags“ (Signaturen), manchmal auch aufwändige „Pieces“ (großflächige Bilder). Tamara Volgger aus Zell am See zählt zu den bekanntesten Graffiti-Künstlern Salzburgs.
„Für Graffiti hab’ ich mich über die Hip-Hop-Musik zu interessieren begonnen. Ich war 14 und von dieser urbanen Subkultur völlig in den Bann gezogen“, erinnert sich Tamara Volgger. „Irgendwie hatte ich das Gefühl: ,Das ist das Richtige für mich!’ Gleichzeitig fühlte ich mich im Pinzgau etwas deplatziert: Zwischen Kühen und Heustadeln gibt es eben keine städtischen Hintergründe, auf denen sich Graffiti gut anbringen ließen“, lacht die 26-Jährige. Nichtsdestotrotz startete Tamara unter einer Brücke in Fürth – freilich illegal 😉 – ihre ersten Sprühversuche. „Ein wenig später hab’ ich erfahren, dass ein Klassenkollege sich ebenfalls für diese Kunstform interessiert. Bald gründeten wir eine erste ,Crew‘, so nennt man einen Zusammenschluss aus Sprühern, besorgten uns Dosen – damals noch aus dem Baumarkt – und Skizzenbücher, in der Szene als ,Blackbooks‘ bezeichnet.“
Mittlerweile zählt die „Writerin“, wie sich traditionelle Sprüher nennen, weil es sich bei Graffiti meist um Buchstabenkomplexe handelt, zu den bekanntesten Künstlern Salzburgs. Ihr Alias „Soma“ bürgt in der Szene für Qualität. „Ich habe vorher ein paar andere Namen ausprobiert. Die meisten Sprüher achten bei der Wahl ihres Künstlernamens vor allem auf die Buchstabenkombination. ,Soma‘ hat mir vom Schriftbild und der Klangfarbe her einfach gefallen. Später fiel mir auf, dass das Wort im Altgriechischen ,Körper‘ bedeutet und in Aldous Huxleys dystopischem Roman ,Schöne neue Welt‘ die weltbeherrschende Droge ist. So gefiel mir der Name immer besser“, schildert die Pinzgauerin. Ihre „zweite Identität“ hat sich Tamara Volgger vor ein paar Jahren sogar auf den Rücken stechen lassen. „Mein kalifornischer Freund ist Tätowierer“, fügt die talentierte Sprayerin, die heute in Oberalm lebt, erklärend hinzu.
Mit 19 begann Tamara, die in Salzburg Psychologie und Soziologie studierte und neben ihrer Arbeit als freischaffende Künstlerin als Jugendbetreuerin für das „Hilfswerk“ tätig ist, professionell zu sprühen. Eine Ausbildung gibt es für diese Kunstform freilich nicht: „Man bringt sich in der Szene gegenseitig Dinge bei“, erklärt die 26-Jährige. Vieles, was sie heute kann, hat sie von einem Berliner namens ,Kwam‘ gelernt.“
Die typische Graffiti-Karriereleiter:
In der Graffiti-Szene existiert eine Karriereleiter, intern auch als „Getting Up“ bezeichnet, die alle Sprüher beschreiten. Tamara Volgger erklärt: „Jeder Sprüher beginnt illegal zu sprühen, um sich in der Szene Gehör zu verschaffen und zu demonstrieren, dass ihm die Graffitikunst etwas wert ist. Wenn die entsprechenden „Skillz“, das Können, entwickelt sind, folgt gleitend der Übergang in die legale Phase, in der sogenannten ,Hall of Fames’. Dabei handelt es sich um Wände, die von einer Stadt offiziell zur Verfügung gestellt werden. Hat sich der ,Writer‘ technisch und künstlerisch positiv weiterentwickelt, kommt die Auftragsphase, in der er sogar Geld mit Graffiti verdienen kann.“ Apropos illegal: Auch die Pinzgauerin hatte in ihrer Teenagerzeit Probleme mit unerlaubten „Verschönerungen“: „Als ich mit Kumpels die Bahnhofsunterführung in Zell am See besprühte!“, berichtet „Soma“. „Zwei Polizisten passten uns ab, wir hatten blöderweise die Sprühdosen im Rucksack! Meine Mama war, wie man sich vorstellen kann, nicht gerade begeistert, als sie mich am Gendarmerieposten abholen musste. Am nächsten Tag mussten wir unsere ,Tags’ und ,Pieces’ mit Nitroverdünnung wegputzen. Meine Mutter (Anmerkung: „Benetton“-Shop-Inhaberin Jutta Volgger) war nach dieser Aktion immer recht besorgt, wenn ich abends mit einem dosenklappernden Rucksack wegging. Ich muss zugeben, dass zu der Zeit keine von uns beiden geglaubt hätte, dass ich mit dem Sprühen einmal Geld verdienen würde!“ Der Reiz des Illegalen ist für die Bergstädterin heute übrigens verflogen: „Irgendwann wächst man da raus! Es steht für mich auch zuviel am Spiel. Außerdem kann ich nicht mehr so schnell wegrennen“, scherzt die 26-Jährige, die momentan – ganz offiziell – die Rathausunterführung in Salzburg zum Thema „Mozart & Nannerl“ mit einem Graffiti schmückt! Gibt es eigentlich genügend Möglichkeiten, legal zu sprühen? „Im Großen und Ganzen schon!“, findet Tamara Volgger. „Sogar im Pinzgau steht eine Wand zur Verfügung – in Schüttdorf, in der Nähe des Porscheallee-Kindergartens!“
Die Spraydosen-Künstlerin ist gut im Geschäft!
Bis zu zwei Tage benötigt Tamara Volgger für eines ihrer Kunstwerke. „Meist ist es so, dass ich mir meine Werke nach ein paar Monaten nicht mehr ansehen kann, weil ich denke, dies und jenes hätte ich besser machen können“, verrät die ehrgeizige Zellerin. „Natürlich gibt es auch uralte Styles von mir, manchmal nur Skizzen, die mir heute noch sehr gefallen. Nicht alles, was ich gemalt habe, befindet sich jedoch noch an Ort und Stelle. Zum Beispiel habe ich, zusammen mit meinem Freund, eine Fanbotschaft auf einem Container, der zur Fußball-Europameisterschaft am Salzburger Hanuschplatz aufgestellt wurde, gestaltet. Man muss schon etwas Selbstbewusstsein als ,Writer’ entwickelt haben, um an dieser belebten Stelle zu sprühen! Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit zittrigen Händen auf der Leiter stand, hinter mir Busse, Autos, Radfahrer und Fußgänger – und natürlich schauten alle her“, plaudert Tamara. „Es wurde trotzdem ein sauberer Auftrag!“
Für ihre Arbeit verwendet die 26-Jährige hauptsächlich Sprühdosen. „Bei ,Charactern’ (Figuren) manchmal auch Marker für Details. In ,Writer’-Kreisen ist man allerdings verschrien, wenn man seine ,Outlines’ (Konturen) nicht freihändig mit der Sprühdose malen kann“, schildert Tamara Volgger. „Ab und zu habe ich eine Skizze, aber gerade privat male ich eher ,freestyle’, frei von der Leber weg.“ Ihre Ideen bezieht die Wahl-Oberalmerin aus Büchern, Filmen, Gesprächen oder dem alltäglichen Leben. „Zum Beispiel habe ich vor kurzem einige Entwürfe gemacht, die mit Ninjas zu tun haben, weil ich seit Anfang dieses Jahres die japanische Kampfkunst Ninjutsu ausübe“, lächelt die Zellerin. „Am Anfang meiner Karriere wollte ich immer Wildstyles, sehr verschnörkelte, komplizierte, für den Laien kaum lesbare Graffiti-Schriftzüge malen. Die dynamischen, lebendigen Buchstaben haben mich fasziniert! Gerade durch die Auftragsarbeiten ist es aber auch praktisch, Hintergründe und ,Characters’ malen zu können. Ich hab’ mich auch im (Foto-)Realistischen an 3D-Styles versucht. Ich denke, mittlerweile decke ich recht viele Sparten ab. So kann ich ganz alleine ein Konzept an einer legalen Wand gestalten, ohne mich auf andere Sprüher verlassen zu müssen. Das ist mir sehr wichtig.“ Tamara Volgger und ihr Partner Brian Coble („Kobo“) sind gut im Geschäft. Die beiden Spraydosen-Künstler erhalten zahlreiche Aufträge: Innenwände in Cafés wollen gestaltet werden, öffentliche Flächen bei Großereignissen. Großes Interesse gibt es auch von Haus- und Wohnungsbesitzern, die es daheim etwas bunter haben wollen. „Wir haben auch schon ein Porträt von Felix Gottwald und seiner Freundin gemacht, das ihm dann geschenkt wurde.“ Zweites Standbein Tamaras sind Workshops zum Thema Graffiti – gern gebucht von Schulen und Jugendzentren.
„Graffiti sind keine Beschmierungen!“
Bei ihrer Kunst geht es Tamara Volgger, die davon träumt, ihre Reiseleidenschaft mit den Graffiti zu verbinden und Aufträge aus fernen Ländern zu bekommen, darum, Spaß zu haben. „Außerdem ist das Gefühl, etwas gemalt zu haben, das mir selbst gefällt, einfach großartig!“ Menschen, die Graffiti als „Beschmierungen“ sehen, hat die Soziologin eines entgegenzuhalten: „Dass sie keine Ahnung haben, welch herrliche Porträts oder Landschaften man mittels Sprühdosen hervorzaubern kann!“ „Einmal hat mir ein alter, verbitterter Radfahrer, der gerade an der ,Hall of Fame‘ vorbeifuhr, zugerufen: ,Das ist doch Umweltverschmutzung!‘ Er wusste wohl noch nicht über die neue chemische Zusammensetzung der Dosen Bescheid!“
„Soma“ engagiert sich für die Eröffnung neuer, legaler Graffitiwände und den Erhalt anderer Wände. „Außerdem freut es mich, wenn Teilnehmer meiner Workshops im Anschluss daran zu sprühen beginnen und selber Teil der Szene werden.“ Graffiti sieht die Zellerin nicht als Jugend-, sondern als urbane Kunst: „Sie haben es längst in die kommerzielle Welt, und damit in die Welt der Erwachsenen geschafft!“, findet die Pinzgauerin. „Graffiti werden auf Schultaschen, Mappen und Ordner gedruckt, Autos werden durch Graffiti zu wirksamen Werbefahrzeugen, T-Shirts auf diese Weise designed… Ich wünsche mir, dass die heimische Graffitiszene wächst und weiterhin so akzeptiert und gefördert wird wie bisher – in Form von Workshops, Ausstellungen und Aufträgen für junge Graffitikünstler“, hält Tamara „Soma“ Volgger fest. Sie hofft, eines Tages ausschließlich von ihrer Kunst leben zu können. Momentan gilt für die junge Kreative allerdings noch das Künstlermotto „Heute kann ich Kaviar essen, morgen bin ich froh, wenn ich mir Spagetti leisten kann.“ Wobei ersteres – bei ihrer Auftragslage – wohl ziemlich oft auf den Tisch kommt!
Text: Silke Burgsteiner | Fotos: Privat
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Im Rahmen des Waves Vienna Festivals interpretiert der deutsche Graffiti Künstler LOOMIT den bekannten Eristoff Wolf neu und verleiht dem Motiv am 4. Oktober vor dem Wiener Szeneclub Pratersauna ein neues Gesicht.
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Waves Vienna startet am 4. Oktober
Das Waves Vienna Festival bietet mit über 100 Acts und Konzerten in ganz Wien einen idealen Rahmen für diese Aktion. Vom 4. bis 7. Oktober werden insgesamt zwölf Bühnen entlang des Wiener Donaukanals und der Praterstraße von talentierten neuen Musikern und bereits etablierten Acts bespielt. Zur gleichen Zeit feiert die Pratersauna den Kick-Off zum Waves Vienna Festival und lockt das Wiener Partyvolk unter anderem mit Rustie, Mike Polarny und Florian Blauensteiner.
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Fotos: Pareto8020