„Zahl der Anzeigen wegen Graffiti ist um 55 Prozent gestiegen. Nicht immer sind die „Täter“ Künstler, oft aber Jugendliche auf der Suche nach dem Kick.
Zäune, Sichtschutzwände, Hausfassaden, Verkehrszeichen oder Verteilerkästen. Nichts war sicher vor den Spraydosen einer jugendlichen Gang, die im vergangenen Winter in Stattegg und den nördlichen Grazer Stadtbezirken Straßenzug um Straßenzug eroberte. Jetzt konnten die vier Gymnasiasten (14 bzw. 15 Jahre alt) von der Polizei ausgeforscht werden. Exakt 101 Sachbeschädigungen werden ihnen vorgeworfen, der geschätzte Schaden: 48.000 Euro.
Wolfgang Schantl von der Polizei Kumberg hat den Fall monatelang bearbeitet und dabei einen kleinen Einblick in die Graffiti-Szene bekommen. Dort wollten sich auch die vier Jung-Sprayer etablieren. „Jeder hatte sein eigenes Symbol, zusammen sahen sie sich als ,Crew'“, erklärt Schantl. Ihre „Tags“ (Zeichen) sollten eine Art Duftmarke sein und den anderen signalisieren: „Schaut her, ich war hier!“ Doch das Hauptmotiv sei der Adrenalin-Kick gewesen, so Schantl. Sich vor den vorbeifahrenden Autos zu verstecken, vor schimpfenden Hausbewohnern davonzulaufen, all das habe die Abenteuerlust des Quartetts erst richtig geweckt. Oft hätten die Burschen nach ihren nächtlichen Spray-Touren am Morgen nicht mehr gewusst, wo sie überall gewesen sind. „Sie waren wie im Rausch.“
Die Ernüchterung kam nach der Ausforschung. Die beiden jüngeren begannen mithilfe der Eltern sofort, ihre „Verzierungen“ zu beseitigen. Nur die zwei 15-Jährigen sollen nicht so kooperativ gewesen sein. Das Gericht wird es wohl zu würdigen wissen.
Dass Graffiti nicht nur umstrittene Kunst, sondern auch ein häufiges Strafdelikt sind, zeigt der Blick in die Kriminalitätsstatistik. Die weist in der Steiermark für heuer einen Anstieg um 55 Prozent bei „Sachbeschädigungen durch Graffiti“ aus (siehe Infokasten). Und noch etwas zeigt die Statistik: Bei Sachbeschädigungen liegen die 14- bis 18-Jährigen mit 34 Prozent ganz vorne.
Motiv Langeweile
Vielen der jungen Sprayer sei nicht bewusst, dass sie mit ihren Aktionen den ersten Schritt ins Kriminelle machen, sagt Oberstleutnant Erwin Strametz vom Landeskriminalamt: „Manchen ist es egal, oder sie wissen gar nicht, welche Folgen auf sie zukommen.“ Im günstigsten Fall winkt einem ertappten Sprüher durch Wiedergutmachung ein außergerichtlicher Tatausgleich, es setzte aber auch schon mehrmonatige (bedingte) Haftstrafen. Die Polizei spricht deshalb auch heuer im Zuge ihrer Präventionswochen „Jugend OK“ im Oktober dieses Thema besonders an. Gefordert sind laut Strametz auch die Eltern und die Kommunen. Vandalismus passiere oft aus Langeweile; wenn sich die Fälle in einer Gemeinde häufen, müsste man sich dort fragen: „Bieten wir unseren Jugendlichen genug Freizeitmöglichkeiten an?“
Teuer wird es auf jeden Fall für die Gemeinden bzw. Hausbesitzer, wenn es darum geht, diverse „Kunstwerke“ wieder zu entfernen. Grob geschätzt mehr als fünf Millionen Euro fallen jährlich in der Steiermark dafür an. So schlägt sich etwa das Sandstrahlen eines Quadratmeters Beton mit 300 Euro zu Buche. In Graz rechnet man heuer mit Kosten von 40.000 Euro. „Oberste Priorität haben dabei Verkehrszeichen, die durch Besprühen ungültig geworden sind“, betont Helmut Unzog von den Grazer Wirtschaftsbetrieben. Bei Brückenpfeilern und anderen weniger gut sichtbaren Flächen reiche es, wenn man sie später einmal gesammelt säubere. Denn, so räumt Unzog ein: „Manchmal schaut’s ja wirklich nicht so schlecht aus.“
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