„Wir machen die Kunst, die keiner von euch sieht“ – Über das Eigenverständnis einer kontroversen Kunstform
Wien – „Graffiti ist eine Kommunikationsform für jene, die wenig Zugang zu den Medien haben“, erklärt Josef Berger vom Graffiti-Museum Wien. Seien es politische Äußerungen, Klo-Graffiti, Zinken oder einfach Street-Art-Graffiti: Er forscht als eifriger Wissenschafter über Graffiti-Dokumentationen weltweit. In seinem Graffiti-Museum in Wien führt er zu den aufregendsten und unterschiedlichsten Orten der Graffiti-Kultur.
Um selbst Graffiti anfertigen zu können, bietet er Workshops an, wo er es den Jugendlichen mit ein paar Tipps und Tricks ermöglicht, ihrer Kreativität freien Lauf an den Wiener Wänden zu lassen.
Vandalismus versus Kunst
Das Ergebnis einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage des SchülerStandard unter zehn Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren hat ergeben, dass legale Graffiti in ihren Augen sehr wohl Kunst darstellen. Nur einer sieht darin Vandalismus. Wobei Graffiti generell sehr umstritten sind.
Die Wiener Linien akzeptieren Graffiti nicht. Wenn Züge besprayt werden, gilt das als Sachbeschädigung und nicht als Kavaliersdelikt. Ein Pressesprecher weist im Standard-Gespräch „strengstens“ darauf hin, dass alle Einrichtungen videoüberwacht sind. Dennoch kommt es zu Einbrüchen und Verurteilungen. 2009 sei ein Schaden von 200.000 Euro durch Beschädigungen an U-Bahnen entstanden.
Die ÖBB teilten mit, dass sie jährlich tausende Euro nur in Reinigung investieren würden. Die Sachbeschädigungen an Haltestellen, Bahnhöfen und Zügen würden drastisch zunehmen. Ein Team mit mobilen Hochdruckreinigern sei in den großen Städten unterwegs, um das Problem zu bereinigen. Einmal habe man bereits freie Flächen für Sprayer zur Verfügung gestellt. Dieser Versuch musste jedoch abgebrochen werden, da viel mehr Züge als angeboten „beschädigt“ worden seien. Teure Beschichtungen seien nun in manchen öffentlichen Räumen angebracht, um den Lack leichter entfernen zu können.
Emotionen an der Wand
„Graffiti ist für mich wie eine zweite Identität. An der Wand lasse ich meine Gefühle los, die Farben spiegeln meine Emotionen wider“, beschreibt der Street-Art-Künstler Babu104.
Flash One bezeichnet diese Form von Kunst als Möglichkeit, die Welt lebendiger wirken zu lassen, wenngleich er aber strikt dagegen ist, neue Bauten zu besprühen. Seine beiden Freunde schließen sich der Meinung an, wobei sie es nicht verstehen können, dass manche die Kunst des Graffiti ausnützen, um sinnlose, oft rassistische Parolen an die Wände zu schmieren. Die drei Jugendlichen fühlen sich glücklich, frei, wohl, vollkommen. Dies wird von einer US-Studie bestätigt. Neben dem Klettern würden beim Sprayen die meisten Glücksgefühle ausgelöst.
Roman Somogyi erklärt, dass Graffiti die größte Jugendbewegung sei. So hat er vor circa 25 Jahren als Erster in Wien einen Graffiti-Store eröffnet. „Gleich am ersten Tag habe ich über 100 Kunden gehabt“, erzählt Somogyi. Für ihn bedeutet Graffiti Kunst, und er hat großen Respekt vor den Künstlern. Selbst sei er aber nie tätig gewesen, da er an seinem künstlerischem Talent zu zweifeln wagt, wie der Ladenbesitzer betont. Wie die Teenies ist auch er der Meinung, dass es zu wenig Freiheiten für die Sprayer gebe.
Deshalb haben zwei junge Sprayer vor vier Monaten ein Projekt auf Facebook gestartet. Sie hoffen auf genug Unterstützer für „Street Art In Vienna“, um mehr Flächen von der Stadt Wien zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Babu 104 erzählt: „Die Szene besteht aus sehr unterschiedlichen Leuten. Manche sind friedlich, andere beleidigen nur, und dann gibt es Leute, die dich bedrohen, nur weil du ein Piece (Kunstwerk) gecrosst (übersprüht) hast. Das ist schon ziemlich krass, weil du mit so etwas nie rechnest. Du musst das aber gelassen nehmen und einfach ein bisschen besser aufpassen, was du tust, dann bist du cool mit allen. Aber die meisten sind nett und geben dir Tipps zur Weiterentwicklung deiner ‚Karriere‘. Dafür bin ich sehr dankbar.“
Eine Welt mit eigenen Regeln
Graffiti nahm seinen Ursprung in New York Ende der 60er-Jahre. Es ist eines der vier Elemente von HipHop. Graffiti verbreitete sich rasend schnell auf der ganzen Welt. In der Graffiti-Welt gibt es einen eigenen Jargon, eigene Regeln und Rangordnungen.
Da Graffiti im englischsprachigen Raum seinen Ursprung fand, wurden hunderte von Begriffen übernommen. Die wichtigste Regel ist, dass niemals Legenden übersprüht werden dürfen, weil dies als Respektlosigkeit gesehen wird. Ebenso ist die Hierarchie sehr ernst zu nehmen. Bei Nichtbeachtung können die Schattenseiten sichtbar werden, die leider oft mit Gewalt zu tun haben.
Für viele Jugendliche nehmen Graffiti jedenfalls eine immer wichtigere Stellung in ihrer Lebensrealität ein. (Marc Zechner, Emily Achberger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.3.2011) “
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Category Archives: Der Standard
„Graffiti-Walk in Wien
08. November 2010, 11:57
Dort stehen bleiben, wo andere vorbeigehen. Den Blick dahin richten, wo andere nicht hinsehen. Das lesen, was andere mühsam von Häuserwänden wischen: Beim Public Walk mit Kulturwissenschaftler und Schriftsteller Thomas Northoff bekommen die sogenannten „Schmierereien“ eine neue Perspektive. Eine Ausdrucksform, die tabulos und grenzenlos die Wünsche, aber auch den Hass der Menschen offenbart.
Unter dem Titel „Hinter vorgehaltener Wand“ leitet Thomas Northoff (l.), Kulturwissenschafter und Schriftsteller, im Rahmen der Ausstellung „Platz da! European Public Space“ einen Rundgang zu Graffiti-Spots in und um das Wiener MuseumsQuartier.“
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„Urban & Street Art: das BLK River Festival in Wien
Stadt und Straße als Kunstort boomt. Mit und ohne Auftrag, legal und illegal, wird gesprüht, installiert und interveniert, dass es eine helle Freude ist. Begriffe wie Street Art oder Urban Art kursieren für diese Form der Kunst im öffentlichen Raum, die auch ein klassisches Graffiti sein kann und seit Banksy von so manchem abgeschlagen und zu Geld gemacht wurde.
Galerien (in Wien: www.inoperable.at) sorgen für größere Bekanntheit der Street-Artisten, Ausstellungen zeichnen das Phänomen seit Basquiat (Street and Studio, Kunsthalle Wien, bis 10. 10.) nach oder zeigen, wie sich die Guerilla-Attitüde auf Werke für den White Cube auswirkt (Escape the golden Cage, ab 1. 10., Vordere Zollamtsstraße 3).
Street Art vs. White Cube titelt auch ein Symposium (18. 9.: Kunsthalle Wien, 19-21 Uhr). Es diskutieren neben dem Street-Art-Künstler Brad Downey und Kulturwissenschafter Vitus Weh u. a. auch Sydney Ogidan vom Wiener BLK River Festival. Letzteres heuer zum zweiten Mal veranstaltete Event zeigt feinste Kunst aus Sprühdosen vom Vorgartenmarkt über den Donaukanal bis zum Alberner Hafen. (kafe/ DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.9.2010)
Bis 6.10.; 19. 9.: Film Opening Night, Bellaria Kino, 19.00; 25. 9.: Radtour zu allen Schauplätzen, 13.00.“
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„U-Bahn bekommt Ordnungsteam – Nachtbetrieb startet am 4. September
Wien – „Hey, du“ – diese zwei Worte sollen laut Wiens Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SP) für die rasche Kommunikation zwischen den Mitarbeitern der Wiener Linien und der Polizei ausreichen, wenn die Nacht-U-Bahn im September ihren Betrieb aufnimmt. Zu zweit werden die gemischten Ordnungsteams des nächtens in den U-Bahnen patroullieren, und das praktisch in jeder Garnitur. Damit Polizisten und „Nightliner“ die Züge besser kontrollieren können, werden im Nachtbetrieb ausschließlich neue V-Wägen eingesetzt, die durchgehend begehbar sind.
25 „Nightliner“, die bisher bereits in den Nachtbussen für Ordnung gesorgt haben, werden ab 3. September in den Nacht-U-Bahn-Zügen eingesetzt. Die Wiener Linien nehmen noch weitere 22 neue Mitarbeiter auf. Die Gesamtkosten für den 24-Stunden-Betrieb am Wochenende und in den Nächten vor Feiertagen bezifferte Brauner mit 5,1 Millionen Euro.
Umfragen haben ergeben, dass sich nur zwei Prozent der Öffi-Benutzer in der Bundeshauptstadt „nicht sicher“ fühlen. Fast die Hälfte (45 Prozent) fühlt sich „sehr sicher“, 36 Prozent haben ein „sicheres“ Gefühl, wenn sie in U-Bahn, Bus und Bim unterwegs sind. Bereits jetzt sind täglich zwischen 80 und 120 Polizisten in den Öffis im Einsatz. Trotzdem könne man, sagte Bürgermeister Michael Häupl (SP) am Dienstag, „das subjektive Sicherheitsgefühl nicht einfach ignorieren“. (fern/DER STANDARD, Printausgabe, 16. Juni 2010)“
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Klosterneuburg
Mutmaßliche Täter sind zwischen 14 und 18 Jahre alt – Gesamtschaden von rund 10.000 Euro
Klosterneuburg – Fünf Vandalen, die von Juni bis September in Klosterneuburg (Bezirk Wien-Umgebung) Sachbeschädigungen begangen haben sollen, sind von der Polizei gefasst worden. Die Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sollen wegen Graffiti an Bahnhöfen sowie an zahlreichen Häusern für einen Gesamtschaden von rund 10.000 Euro verantwortlich sein. Darüber hinaus zeigte sich einer der fünf Beschuldigten geständig, in einer Bahnhof-Unterführung ein nationalsozialistisches Symbol gesprayt zu haben. Die mutmaßlichen Täter wurden angezeigt, so die NÖ Sicherheitsdirektion am Dienstag.(APA)
derstandard.at
Wien/Salzburg – Die Frage, ob ein Graffito im öffentlichen Raum Kunst sei, macht Norbert Siegl beinahe wütend. „Graffiti sind eine der ältesten Kommunikationsformen der Menschheit, insofern haben sie eine kulturhistorische Berechtigung“, meint der Vorsitzende des Wiener Instituts für Graffiti-Forschung im Gespräch mit dem STANDARD. Aber nicht alle denken so. Haus- oder Autobesitzer, die über Nacht bunte Bilder oder Schriftzüge (sogenannte Tags) geschenkt bekommen, sprechen vielmehr von Vandalismus und Sachbeschädigung.
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